1 @c -*- coding: utf-8; mode: texinfo; -*-
4 Translation of GIT committish: 4582b7b24d22b2041bfcba49e716a714effcce92
7 When revising a translation, copy the HEAD committish of the
8 version that you are working on. For details, see the Contributors'
9 Guide, node Updating translation committishes..
16 @translationof Music engraving
18 Dieser Abschnitt erklärt die Ziele und die Architektur von LilyPond.
22 * Automatisierter Notensatz::
24 * Die Darstellung der Musik::
30 @unnumberedsubsec Notensatz
31 @translationof Engraving
36 @cindex Gravur, Notensatz
37 @cindex Plattendruck, Noten
39 Die Kunst des Notensatzes wird auch als Notenstich bezeichnet. Dieser
40 Begriff stammt aus dem traditionellen Notendruck. Noch bis vor etwa 20
41 Jahren wurden Noten erstellt, indem man sie in eine Zink- oder Zinnplatte
42 schnitt oder mit Stempeln schlug. Diese Platte wurde dann mit Druckerschwärze
43 versehen, so dass sie in den geschnittenen und gestempelten Vertiefungen
44 blieb. Diese Vertiefungen schwärzten dann ein auf die Platte gelegtes
45 Papier. Das Gravieren wurde vollständig von Hand erledigt. Es war darum
46 sehr mühsam, Korrekturen anzubringen, weshalb man von vornherein richtig
47 schneiden musste. Es handelte sich dabei um ein sehr spezialisiertes Handwerk.
49 Heutzutage wird fast alle gedruckte Musik von Computern erstellt. Das
50 hat einige deutliche Vorteile: Drucke sind billiger als die gravierten
51 Platten und der Computersatz kann per E-Mail verschickt werden. Leider
52 hat der intensive Einsatz des Computers die graphische Qualität
53 des Notensatzes vermindert. Mit dem Computer erstellte Noten sehen
54 langweilig und mechanisch aus, was es erschwert, von ihnen zu spielen.
57 @c introduce illustrating aspects of engraving, font...
58 Die Abbildung unten illustriert den Unterschied zwischen
59 traditionellem Notensatz und einem typischen Computersatz. Das
60 dritte Bild zeigt, wie LilyPond die Formen des traditionellen
61 Satzes nachahmt. Das linke Bild zeigt ein eingescanntes b-Vorzeichen
62 aus einer 2000 herausgegebenen Edition. Das mittlere Bild
63 zeigt das b-Vorzeichen derselben Musik aus einer handgestochenen
64 Bärenreiter-Ausgabe. Das linke Bild zeigt die typischen Makel
65 des Computer-Satzes: Die Notenlinien sind sehr dünn, die Schwärze
66 des Vorzeichens entspricht den dünnen Linien und hat eine gerade
67 Form mit scharfen Ecken und Kanten. Im Gegensatz dazu hat das
68 Bärenreiter-Vorzeichen dicke, geradezu sinnlich rundliche
69 Formen. Unser Symbol für das Vorzeichen hat neben anderen
70 auch dieses b als Vorbild. Es ist abgerundet und passt zu unseren
71 Notenlinien, die sehr viel dicker sind als die der entsprechenden
74 @multitable @columnfractions .125 .25 .25 .25 .125
78 @image{pictures/henle-flat-gray,,4cm}
81 @image{pictures/henle-flat-gray,,,png}
86 @image{pictures/baer-flat-gray,,4cm}
89 @image{pictures/baer-flat-gray,,,png}
94 @image{pictures/lily-flat-bw,,4cm}
97 @image{pictures/lily-flat-bw,,,png}
101 @image{pictures/henle-flat-bw,,,png}
102 @image{pictures/baer-flat-bw,,,,png}
103 @image{pictures/lily-flat-bw,,,png}
111 LilyPond Feta-Schriftart (2003)
121 @c introduce illustrating aspects of engraving, spacing...
122 Die Verteilung der Noten innerhalb des Taktes sollte ihrer Dauer
123 entsprechen. Moderne Partituren zeigen diese Verhältnisse jedoch
124 mit einer mathematischen Präzision, die nur sehr schlechte
125 Ergebnisse bringt. Im nächsten Beispiel ist ein Motiv zweimal
126 gesetzt: einmal mit den exakten mathematischen Längenverhältnissen, dann
127 mit kleinen Korrekturen. Welches von beiden ist mit dieser Korrektur
130 @cindex Optischer Ausgleich
131 @c file spacing-optical.
132 @c need to include it here, because we want two images.
153 \override NoteSpacing #'stem-spacing-correction = #0.6
178 \override NoteSpacing #'stem-spacing-correction = #0.0
179 \override NoteSpacing #'same-direction-correction = #0.0
180 \override StaffSpacing #'stem-spacing-correction = #0.0
186 @cindex normale Rhythmen
187 @cindex normale Abstände
188 @cindex Abstände, normal
189 @cindex Rhythmen, normal
191 In diesem Ausschnitt kommen nur Viertel vor, Noten, die in einem
192 gleichmäßigen Rhythmus gespielt werden. Die Abstände sollten das
193 widerspiegeln. Leider lässt uns aber das Auge im Stich: es beachtet
194 nicht nur den Abstand von aufeinander folgenden Notenköpfen, sondern
195 auch den ihrer Hälse. Also müssen Noten, deren Hälse in direkter
196 Folge zuerst nach oben und dann nach unten ausgerichtet sind, weiter
197 auseinander gezogen werden, während die unten/oben-Folge engere
198 Abstände fordert, und das alles auch noch in Abhängigkeit von der
199 vertikalen Position der Noten. Das obere Beispiel ist mit dieser
200 Korrektur gesetzt, das untere ohne. In letzterem Fall bilden sich
201 für das Auge bei unten/oben-Folgen Notenklumpen mit schmalen Abständen
202 zwischen den Notenhälsen.
206 Musiker sind üblicherweise zu sehr damit beschäftigt, die Musik aufzuführen,
207 als dass sie das Aussehen der Noten studieren könnten; und diese
208 Beschäftigung mit typographischen Details mag akademisch wirken.
209 Das ist sie aber nicht. Unser Beispielstück hat einen
210 monotonen Rhythmus, und wenn alle Zeilen einförmig aussehen, wird
211 das Notenblatt zu einem Labyrinth. Wenn der Spieler auch nur
212 einmal wegschaut oder kurze Zeit unkonzentriert ist, findet er
213 nicht mehr zurück zu der Stelle, an der er war.
215 Der dichtere Eindruck, den die dickeren Notenlinien und schwereren
216 Notationssymbole schaffen, eignet sich auch besser für Noten,
217 die weit vom Leser entfernt stehen, etwa auf einem Notenständer.
218 Eine sorgfältige Verteilung der Zwischenräume erlaubt es, die
219 Noten sehr dicht zu setzen, ohne dass die Symbole zusammenklumpen.
220 Dadurch werden unnötige Seitenumbrüche vermieden, so dass man
221 nicht so oft blättern muss.
223 Dies sind die Anforderungen der Typographie: Das Layout sollte
224 schön sein -- nicht aus Selbstzweck, sondern um dem Leser zu helfen. Für
225 Aufführungsmaterial ist das umso wichtiger, denn Musiker haben eine begrenzte
226 Aufnahmefähigkeit. Je weniger Mühe nötig ist, die Noten zu erfassen, desto mehr
227 Zeit bleibt für die Gestaltung der eigentlichen Musik. Das heißt: Gute
228 Typographie führt zu besseren Aufführungen!
230 Die Beispiele haben gezeigt, dass der Notensatz eine subtile und
231 komplexe Kunst ist und gute Ergebnisse nur mit viel Erfahrung
232 erlangt werden können, die Musiker normalerweise nicht haben.
233 LilyPond stellt unser Bemühen dar, die graphische Qualität
234 handgestochener Notenseiten ins Computer-Zeitalter zu transportieren
235 und sie für normale Musiker erreichbar zu machen. Wir haben
236 unsere Algorithmen, die Gestalt der Symbole und die Programm-Einstellungen
237 darauf abgestimmt, einen Ausdruck zu erzielen, der der Qualität
238 der alten Editionen entspricht, die wir so gerne betrachten
239 und aus denen wir gerne spielen.
243 @node Automatisierter Notensatz
244 @unnumberedsubsec Automatisierter Notensatz
245 @translationof Automated engraving
247 @cindex Notensatz, automatisch
248 @cindex automatischer Notensatz
250 Wie sollen wir also jetzt die Typographie anwenden?
251 Wie können wir erwarten, dass wir in der Lage wären,
252 ein Programm zu schreiben, dass den Beruf des
253 Notenstechers ersetzt, wo dieser doch mehr als zehn
254 Jahre braucht, um ein Meister zu werden?
256 Wir können es tatsächlich nicht! Da Typographie allein
257 durch das menschliche Auge bestimmt ist, kann der Mensch
258 nicht ersetzt werden. Aber sehr viel mechanische Arbeit
259 kann automatisiert werden. Indem etwa LilyPond die üblichen
260 Situationen kennt und bewältigt, können die restlichen
261 Fehler von Hand beseitigt werden. Das ist schon ein
262 großer Fortschritt im Vergleich zu den existierenden
263 Programmen. Und mit der Zeit können immer mehr Fälle
264 automatisiert werden, so dass immer weniger Eingriffe
265 von Hand notwendig werden.
268 Als wir anfingen, haben wir LilyPond vollständig in der Programmiersprache C++
269 geschrieben. Das hieß, dass der Funktionsumfang des Programms vollständig durch
270 die Programmierer festgelegt war. Das stellte sich aus einer Reihe von Gründen
271 als unzureichend heraus:
274 @item Wenn LilyPond Fehler macht, muss der Benutzer die
275 Einstellungen ändern können. Er muss also Zugang zur
276 Formatierungsmaschinerie haben. Deshalb können die Regeln und
277 Einstellungen nicht beim Kompilieren des Programms festgelegt
278 werden, sondern sie müssen zugänglich sein, während das Programm
282 @item Notensatz ist eine Frage des Augenmaßes, und damit auch vom
283 Geschmack abhängig. Benutzer können mit unseren Entscheidungen
284 unzufrieden sein. Darum müssen also auch die Definitionen des
285 typographischen Stils dem Benutzer zugänglich sein.
287 @item Schließlich verfeinern wir unseren Formatierungsalgorithmus
288 immer weiter, also müssen die Regeln auch flexibel sein. Die
289 Sprache C++ zwingt zu einer bestimmten Gruppierungsmethode,
290 die nicht den Regeln für den Notensatz entspricht.
293 @cindex Scheme-Programmiersprache
295 Diese Probleme wurden angegangen, indem ein Übersetzer für
296 die Programmiersprache Scheme integriert wurde und Teile
297 von LilyPond in Scheme neu geschrieben wurden. Die derzeitige
298 Formatierungsarchitektur ist um die Notation von graphischen
299 Objekten herum aufgebaut, die von Scheme-Variablen und -Funktionen
300 beschrieben werden. Diese Architektur umfasst Formatierungsregeln,
301 typographische Stile und individuelle Formatierungsentscheidungen.
302 Der Benutzer hat direkten Zugang zu den meisten dieser Einstellungen.
304 Scheme-Variablen steuern Layout-Entscheidungen. Zum Beispiel haben
305 viele graphische Objekte eine Richtungsvariable, die zwischen
306 oben und unten (oder rechts und links) wählen kann. Hier etwa
307 sind zwei Akkorde mit Akzenten und Arpeggien.
308 Beim ersten Akkord sind alle Objekte nach unten (oder links)
309 ausgerichtet, beim zweiten nach oben (rechts).
311 @lilypond[quote,ragged-right]
313 \override SpacingSpanner #'spacing-increment = #3
314 \override TimeSignature #'transparent = ##t
316 \stemDown <e g b>4_>-\arpeggio
317 \override Arpeggio #'direction = #RIGHT
318 \stemUp <e g b>4^>-\arpeggio
322 @cindex Formatierung einer Partitur
323 @cindex Partitur, Formatierung
324 @cindex Formatierungsregeln
327 Der Prozess des Notensetzens besteht für das Programm darin,
328 die Variablen der graphischen Objekte zu lesen und zu
329 schreiben. Einige Variablen haben festgelegte Werte. So
330 ist etwa die Dicke von vielen Linien – ein Charakteristikum
331 des typographischen Stils – von vornherein festgelegt.
332 Wenn sie geändert werden, ergibt sich ein anderer typographischer Eindruck.
334 @lilypond[quote,ragged-right]
337 c'4-~ c'16 as g f e16 g bes c' des'4
342 \override Beam #'beam-thickness = #0.3
343 \override Stem #'thickness = #0.5
344 \override Bar #'thickness = #3.6
345 \override Tie #'thickness = #2.2
346 \override StaffSymbol #'thickness = #3.0
347 \override Tie #'extra-offset = #'(0 . 0.3)
353 Formatierungsregeln sind auch vorbelegte Variablen. Zu jedem Objekt gehören
354 Variablen, die Prozeduren enthalten. Diese Prozeduren machen die eigentliche
355 Satzarbeit aus, und wenn man sie durch andere ersetzt, kann die Darstellung
356 von Objekten verändert werden. Im nächsten Beispiel wird die Regel, nach der
357 die Notenköpfe gezeichnet werden, während des Ausschnitts verändert.
359 @lilypond[quote,ragged-right]
360 #(set-global-staff-size 30)
362 #(define (mc-squared grob orig current)
363 (let* ((interfaces (ly:grob-interfaces grob))
364 (pos (ly:grob-property grob 'staff-position)))
365 (if (memq 'note-head-interface interfaces)
367 (ly:grob-set-property! grob 'stencil
368 (grob-interpret-markup grob
369 (make-lower-markup 0.5
373 ((-2) (make-smaller-markup (make-bold-markup "2")))
376 \new Voice \relative c' {
378 \set autoBeaming = ##f
381 \once \override NoteHead #'stencil = #note-head::brew-ez-stencil
382 \once \override NoteHead #'font-size = #-7
383 \once \override NoteHead #'font-family = #'sans
384 \once \override NoteHead #'font-series = #'bold
386 \once \override NoteHead #'style = #'cross
388 \applyOutput #'Voice #mc-squared
391 { d8[ es-( fis^^ g] fis2-) }
392 \repeat unfold 5 { \applyOutput #'Voice #mc-squared s8 }
399 @node Welche Symbole?
400 @unnumberedsubsec Welche Symbole?
401 @translationof What symbols to engrave?
410 Während des Notensatzprozesses entscheidet sich, wo
411 Symbole platziert werden. Das kann aber nur gelingen,
412 wenn vorher entschieden wird, @emph{welche} Symbole
413 gesetzt werden sollen, also welche Art von Notation benutzt
416 Die heutige Notation ist ein System zur Musikaufzeichnung,
417 das sich über die letzten 1000 Jahre entwickelt hat. Die
418 Form, die heute üblicherweise benutzt wird, stammt aus dem
419 Barock. Auch wenn sich die grundlegenden Formen (also
420 die Notenköpfe, das Fünfliniensystem) nicht verändert haben,
421 entwickeln sich die Details trotzdem immer noch weiter, um
422 die Errungenschaften der Neuen Musik darstellen zu können. Die
423 Notation umfasst also 500 Jahre Musikgeschichte. Ihre Anwendung
424 reicht von monophonen Melodien bis zu ungeheuer komplexem Kontrapunkt
425 für großes Orchester.
427 Wie bekommen wir dieses vielköpfige Monster zu fassen?
428 Unsere Lösung ist es, eine strikte Trennung zwischen der Notation,
429 also welche Symbole benutzt werden, und dem Satz, also wohin sie
430 gesetzt werden, zu machen. Um das Problem anzupacken, haben wir
431 es in kleine (programmierbare) Happen zerteilt, so dass jede Art
432 von Symbol durch ein eigenes Plugin verarbeitet wird. Alle Plugins
433 kooperieren durch die LilyPond-Architektur. Sie sind vollständig
434 modular und unabhängig und können somit auch unabhängig voneinander
435 entwickelt werden. Der Schreiber, der die Musik in Graphik umwandelt,
436 ist ein Kopist oder Notenstecher (engl. engraver). Darum werden
437 die Plugins als @code{engraver} bezeichnet.
439 Im nächsten Beispiel wird gezeigt, wie mit dem Plugin für die Notenköpfe,
440 dem @code{Note_heads_engraver} (@qq{Notenkopfstecher}) der Satz begonnen wird.
442 @lilypond[quote,ragged-right]
443 \include "engraver-example.ily"
450 \remove "Stem_engraver"
451 \remove "Phrasing_slur_engraver"
452 \remove "Slur_engraver"
453 \remove "Script_engraver"
454 \remove "Beam_engraver"
455 \remove "Auto_beam_engraver"
459 \remove "Accidental_engraver"
460 \remove "Key_engraver"
461 \remove "Clef_engraver"
462 \remove "Bar_engraver"
463 \remove "Time_signature_engraver"
464 \remove "Staff_symbol_engraver"
465 \consists "Pitch_squash_engraver"
472 Dann fügt ein @code{Staff_symbol_engraver} (@qq{Notensystemstecher})
473 die Notenlinien hinzu.
475 @lilypond[quote,ragged-right]
476 \include "engraver-example.ily"
483 \remove "Stem_engraver"
484 \remove "Phrasing_slur_engraver"
485 \remove "Slur_engraver"
486 \remove "Script_engraver"
487 \remove "Beam_engraver"
488 \remove "Auto_beam_engraver"
492 \remove "Accidental_engraver"
493 \remove "Key_engraver"
494 \remove "Clef_engraver"
495 \remove "Bar_engraver"
496 \consists "Pitch_squash_engraver"
497 \remove "Time_signature_engraver"
504 Der @code{Clef_engraver} (@qq{Notenschlüsselstecher}) definiert
505 eine Referenzstelle für das System.
507 @lilypond[quote,ragged-right]
508 \include "engraver-example.ily"
515 \remove "Stem_engraver"
516 \remove "Phrasing_slur_engraver"
517 \remove "Slur_engraver"
518 \remove "Script_engraver"
519 \remove "Beam_engraver"
520 \remove "Auto_beam_engraver"
524 \remove "Accidental_engraver"
525 \remove "Key_engraver"
526 \remove "Bar_engraver"
527 \remove "Time_signature_engraver"
534 Der @code{Stem_engraver} (@qq{Halsstecher}) schließlich fügt
537 @lilypond[quote,ragged-right]
538 \include "engraver-example.ily"
545 \remove "Phrasing_slur_engraver"
546 \remove "Slur_engraver"
547 \remove "Script_engraver"
548 \remove "Beam_engraver"
549 \remove "Auto_beam_engraver"
553 \remove "Accidental_engraver"
554 \remove "Key_engraver"
555 \remove "Bar_engraver"
556 \remove "Time_signature_engraver"
563 Dem @code{Stem_engraver} wird jeder Notenkopf mitgeteilt,
564 der vorkommt. Jedes Mal, wenn ein Notenkopf erscheint (oder mehrere bei
565 einem Akkord), wird ein Hals-Objekt erstellt und an den
566 Kopf geheftet. Wenn wir dann noch engraver für Balken, Bögen,
567 Akzente, Vorzeichen, Taktlinien, Taktangaben und Tonartbezeichnungen
568 hinzufügen, erhalten wir eine vollständige Notation.
571 @lilypond[quote,ragged-right]
572 \include "engraver-example.ily"
577 @cindex Mehrstimmigkeit
578 @cindex Notensatz, Mehrstimmigkeit
581 Dieses System funktioniert gut für monophone Musik, aber wie geht
582 es mit Polyphonie? Hier müssen sich mehrere Stimmen ein System teilen.
584 @lilypond[quote,ragged-right]
585 \include "engraver-example.ily"
586 \new Staff << \topVoice \\ \botVoice >>
589 In diesem Fall benutzen beide Stimmen das System und die Vorzeichen gemeinsam,
591 Hälse, Bögen, Balken usw. sind jeder einzelnen Stimme eigen. Die engraver
592 müssen also gruppiert werden. Die Köpfe, Hälse, Bögen usw. werden
593 in einer Gruppe mit dem Namen @qq{Voice context} (Stimmenkontext)
594 zusammengefasst, die engraver für den Schlüssel, die Vorzeichen,
595 Taktstriche usw. dagegen in einer Gruppe mit dem Namen @qq{Staff context}
596 (Systemkontext). Im Falle von Polyphonie hat ein Staff-Kontext dann also
597 mehr als nur einen Voice-Kontext. Auf gleiche Weise können auch mehrere Staff-Kontexte
598 in einen großen Score-Kontext (Partiturkontext) eingebunden werden.
602 Programmreferenz: @rinternals{Contexts}.
605 @lilypond[quote,ragged-right]
606 \include "engraver-example.ily"
609 \new Staff << \topVoice \\ \botVoice >>
610 \new Staff << \pah \\ \hoom >>
615 @node Die Darstellung der Musik
616 @unnumberedsubsec Die Darstellung der Musik
617 @translationof Music representation
620 @cindex rekursive Strukturen
622 Idealerweise ist das Eingabeformat für ein komplexes Satzsystem die
623 abstrakte Beschreibung des Inhaltes. In diesem Fall wäre das die
624 Musik selber. Das stellt uns aber vor ein ziemlich großes Problem,
625 denn wie können wir definieren, was Musik wirklich ist? Anstatt darauf
626 eine Antwort zu suchen, haben wir die Frage einfach umgedreht. Wir
627 schreiben ein Programm, das den Notensatz beherrscht und machen das
628 Format so einfach wie möglich. Wenn es nicht mehr vereinfacht
629 werden kann, haben wir per Definition nur noch den reinen Inhalt. Unser
630 Format dient als die formale Definition eines Musiktextes.
632 Die Syntax ist gleichzeitig die Benutzerschnittstelle bei LilyPond,
633 darum soll sie einfach zu schreiben sein; z. B. bedeutet
640 eine Viertel c' und eine Achtel d', wie in diesem Beispiel:
648 In kleinem Rahmen ist diese Syntax sehr einfach zu benutzen. In
649 größeren Zusammenhängen aber brauchen wir Struktur. Wie sonst kann
650 man große Opern oder Symphonien notieren? Diese Struktur wird
651 gewährleistet durch sog. music expressions (Musikausdrücke): indem
652 kleine Teile zu größeren kombiniert werden, kann komplexere Musik
653 dargestellt werden. So etwa hier:
655 @lilypond[quote,verbatim,fragment,relative=1]
660 Gleichzeitig erklingende Noten werden hinzugefügt, indem man alle in @code{<<} und @code{>>} einschließt.
662 @c < > is not a music expression,
663 @c so we use <<>> iso. <> to drive home the point of
664 @c expressions. Don't change this back --hwn.
669 @lilypond[quote,fragment,relative=1]
670 \new Voice { <<c4 d4 e>> }
674 Um aufeinanderfolgende Noten darzustellen, werden sie in geschweifte Klammern gefasst:
676 @code{@{@tie{}@dots{}@tie{}@}}
679 @{ f4 <<c4 d4 e4>> @}
682 @lilypond[quote,relative=1,fragment]
687 Dieses Gebilde ist in sich wieder ein Ausdruck, und kann
688 daher mit einem anderen Ausdruck kombiniert werden (hier mit einer Halben).
691 << g2 \\ @{ f4 <<c4 d4 e4>> @} >>
694 @lilypond[quote,fragment,relative=2]
695 \new Voice { << g2 \\ { f4 <<c d e>> } >> }
698 Solche geschachtelten Strukturen können sehr gut in einer
699 kontextunabhängigen Grammatik beschrieben werden. Der Programmcode
700 für den Satz ist auch mit solch einer Grammatik erstellt. Die Syntax
701 von LilyPond ist also klar und ohne Zweideutigkeiten definiert.
703 Die Benutzerschnittstelle und die Syntax werden als erstes vom Benutzer
704 wahrgenommen. Teilweise sind sie eine Frage des Geschmackes und werden viel
705 diskutiert. Auch wenn Geschmacksfragen ihre Berechtigung
706 haben, sind sie nicht sehr produktiv. Im großen Rahmen von LilyPond
707 spielt die Eingabe-Syntax nur eine geringe Rolle, denn eine logische
708 Syntax zu schreiben ist einfach, guten Formatierungscode aber sehr viel
709 schwieriger. Das kann auch die Zeilenzahl der Programmzeilen zeigen:
710 Analysieren und Darstellen nimmt nur etwa 10% des Codes ein:
712 @node Beispielanwendung
713 @unnumberedsubsec Beispielanwendung
714 @translationof Example applications
716 @cindex einfaches Beispiel
717 @cindex Beispiel, einfach
719 Wir haben LilyPond als einen Versuch geschrieben, wie man die Kunst des
720 Musiksatzes in ein Computerprogramm gießen kann. Dieses
721 Programm kann nun dank vieler harter Arbeitsstunden benutzt werden,
722 um sinnvolle Aufgaben zu erledigen. Die einfachste ist dabei der
725 @lilypond[quote,relative=1]
733 Indem wir Akkordsymbole und einen Text hinzufügen, erhalten wir
736 @lilypond[quote,ragged-right]
738 \chords { c2 c f2 c }
744 \addlyrics { twin -- kle twin -- kle lit -- tle star }
748 Mehrstimmige Notation und Klaviermusik kann auch gesetzt werden. Das
749 nächste Beispiel zeigt einige etwas exotischere Konstruktionen:
753 title = "Screech and boink"
754 subtitle = "Random complex notation"
755 composer = "Han-Wen Nienhuys"
759 \context PianoStaff <<
764 \revert Stem #'direction
766 \set subdivideBeams = ##t
778 \set followVoice = ##t
779 c'''32([ b''16 a''16 gis''16 g''32)]
781 s4 \times 2/3 { d'16[ f' g'] } as'32[ b''32 e'' d'']
783 s4 \autoBeamOff d''8.. f''32
789 \new Staff = "down" {
792 \set subdivideBeams = ##f
793 \override Stem #'french-beaming = ##t
794 \override Beam #'beam-thickness = #0.3
795 \override Stem #'thickness = #4.0
802 \override Staff.Arpeggio #'arpeggio-direction =#down
803 <cis, e, gis, b, cis>4\arpeggio
810 tempoWholesPerMinute = #(ly:make-moment 60 8)
816 \consists Horizontal_bracket_engraver
822 Die obenstehenden Beispiele wurde manuell erstellt, aber das ist nicht
823 die einzige Möglichkeit. Da der Satz fast vollständig automatisch abläuft,
824 kann er auch von anderen Programmen angesteuert werden, die Musik oder Noten
825 verarbeiten. So können etwa ganze Datenbanken musikalischer Fragmente automatisch
826 in Notenbilder umgewandelt werden, die dann auf Internetseiten oder
827 in Multimediapräsentation Anwendung finden.
829 Dieses Benutzerhandbuch zeigt eine weitere Möglichkeit: Die Noten werden als
830 reiner Text eingegeben und können darum sehr einfach integriert werden
831 in andere textbasierte Formate wie etwa @LaTeX{}, HTML oder, wie in diesem
832 Fall, Texinfo. Durch ein spezielles Programm werden die Eingabefragmente durch
833 Notenbilder in der resultierenden PDF- oder HTML-Datei ersetzt. Dadurch ist
834 es sehr einfach, Noten und Text zu kombinieren.